In den Hecken vor unserem Verlag tirilieren die Spatzen das Leitmotiv, im kontrapunktischen Dreiklang lassen wir dazu die Löffel in den Kaffeetassen klingeln. Melodisch begleitet wird das Ganze vom Rauschen der Blätter in den Bäumen; für eine akzentuierte, aber anstrengende Dissonanz sorgt das stoische Piepen des rückwärtsrangierenden LKW vor der Arminiusmarkthalle. Wir wiederholen die letzten vier Takte im Kanon und mit arrythmischer Percussion unterlegt, bestehend aus den Baustellen am Bürgeramt Tiergarten und im Waldenser Hof, bevor sich der mittlere Satz unserer Moabiter Sin(n)fonie in Ges-Dur ab ca. 14.30 Uhr zu einem dramatischen Crescendo aufbäumt und in das Nachmittagsmotiv überleitet. Sie ahnen es vielleicht: In unserer Neuerscheinung im Mai wird es (unter anderem) musikalisch.
Einstimmen möchten wir Sie mit unserer Einleitung auf das neue Buch von Christian Luckscheiter: »Durchbruch, Tier-Werden, Weltrevolution. Zur ›Neuen‹ Musik, insbesondere Gustav Mahlers und Luigi Nonos, in der Literatur Dietmar Daths oder: Wer ist Cordula Späth?« behandelt eine höchst spannende Schnittstelle der Neuen Musik und der Literatur.
Von Cordula Späth, der Superheldin vieler Romane Dietmar Daths, lässt sich behaupten, dass wegen ihr Dietmar Dath zum Schriftsteller und ein Verlag (der Verbrecher Verlag) gegründet wurde. Sie ist Komponistin teils härtesten Neue-Musik-Stoffs und wahrscheinlich ein außerirdisches Monster. Da auf dieses Monster ein hohes Kopfgeld ausgesetzt ist, versucht dieses Buch – die erste Monographie zur Literatur Dietmar Daths –, es zu fassen. Das Buch versucht außerdem, das politisch-künstlerische Projekt dieses Monsters – anscheinend die Weltrevolution – zu fassen, und zwar durch Kontextualisierung seiner Einflüsse aus der Neuen Musik, vor denen Späth keine Angst hat, nämlich offensichtlich insbesondere Werk und Wirken Gustav Mahlers (schon Adorno und Schnebel wussten, dass Mahler Neue Musik schrieb) und Luigi Nonos. Mit musikwissenschaftlicher und philologischer Hilfe kommt das Buch zu der unwahrscheinlichen These, dass alle (außerhalb der Klammern) Genannten mit sich den Tieren anschmiegender, revolutionärer Durchbruch-Musik jeweils auf ihre Weise versuchen, die verhexten Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit aufzuwecken und das falsche Leben zum richtigen zu bewegen.
Nach den »Ortsschriften Peter Handkes« kommt auch dieses Buch von Christian Luckscheiter als kompaktes Taschenbuch. Es ist ab sofort lieferbar, eine Leseprobe finden Sie auf unserer Website.
Vom 23.-30. Mai fand in Berlin und Brandenburg der Bücherfrühling statt, wir waren in den »Buchempfehlungen, die Zusammenhänge aufzeigen« mit Uwe Lindemanns Buch »Der Krake« und Annette Hinz-Wessels‘ Studie über »Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus« dabei. Hier können Sie noch mal durch die verschiedenen Themenkataloge blättern.
Zum Schluss verweisen wir noch auf eine Veranstaltung: Am Samstag, dem 5. Juni, findet im Literarischen Colloquium Berlin das Symposium »Parataxe – French ReConnection« als Livestream statt. Es geht um die Literatur französischsprachiger AutorInnen über Berlin – ein Teil davon erschien in deutscher Übersetzung im letzten Juni in Dorothee Risses und Margarete Zimmermanns Anthologie »›Berlin bewegt sich schneller, als ich schreibe‹ Das Neue Berlin aus französischer Sicht«. Unter anderem werden Cécile Wajsbrot, Jean-Yves Cendrey, Christian Prigent und Marie NDiaye, deren Texte im Buch erschienen sind, als TeilnehmerInnen dabei sein. Hier geht es zur Veranstaltung mit allen weiteren Infos.
Wir wünschen Ihnen einen wohlklingenden Frühling, schauen Sie für weitere musikalisch-literarische Kunstwerke auch unbedingt auf unserem Instagram-Kanal vorbei. Alpaka, Capybara und Co. freuen sich auf Ihren Besuch.
Herzliche Grüße
Ihr Wolfram Burckhardt
und das Team des Kulturverlags Kadmos